KONZERNLAGEBERICHT 2022

Inhaltsverzeichnis
Wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland

WIRTSCHAFTLICHES UMFELD UND GESCHÄFTSVERLAUF

Wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland

Im Jahr 2022 hat der russische Krieg gegen die Ukraine die geopolitische Lage grundlegend verändert und die globale Wirtschaft beeinträchtigt. Aus dem Konfl ikt ergaben sich auch für die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland zahlreiche Belastungsfaktoren, wozu insbesondere ein massiver Anstieg der Preise für Energien und bestimmte Rohstoffe zählten. Die Verbraucherpreise in Deutschland haben sich im Jahresdurchschnitt 2022 um 7,9 % gegenüber 2021 erhöht (Vj. +3,1 %). Deutlich fi el der Anstieg bei Energieprodukten aus, die sich um 34,7 % verteuerten (Vj. +10,4 %). Aber auch ohne Berücksichtigung der Energiepreise hätte die Jahresteuerungsrate bei überdurchschnittlichen 4,9 % gelegen (Vj. 2,3 %). Als Reaktion auf den deutlichen allgemeinen Preisanstieg hob die Europäische Zentralbank nach mehr als sechs Jahren den Leitzins im Sommer 2022 erstmals wieder an – bis Jahresende nach insgesamt vier Zinsschritten auf 2,5 %. Trotz dieser Rahmenbedingungen konnte sich die deutsche Wirtschaft mit einem Wachstum von 1,8 % insgesamt gut behaupten (Vj. 2,6 %).

Ungeachtet des schwierigen Umfelds zeigte sich der Arbeitsmarkt bislang von den wirtschaftlichen Herausforderungen der Energiekrise und der hohen Inflation relativ unbeeindruckt. Die Erwerbstätigkeit stieg im Jahresdurchschnitt auf den bislang höchsten Stand seit der Wiedervereinigung (45,6 Mio. Erwerbstätige). Wachstumsimpulse für die Beschäftigung waren die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte sowie eine gesteigerte Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung. Diese Effekte überwogen den dämpfenden Effekt des demografischen Wandels. In Einklang mit der positiven Beschäftigungslage verringerte sich die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt auf 5,3 % (Vj. 5,7 %).

Gemäß einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes aus Januar 2023 hatte Deutschland zum Jahresende 2022 mindestens 84,3 Millionen Einwohner, womit ein Rekordniveau erreicht wurde. Gegenüber Vorjahr nahm die Bevölkerungszahl infolge hoher Nettozuwanderung um 1,1 Millionen Personen zu.

Berlin Ortler Weg
Köln, Stadtteil Ossendorf, Bertha-Sander-Straße
Entwicklung im Immobiliensektor

Entwicklung im Immobiliensektor

Für den Anstieg der bundesweiten Nettokaltmieten weist das Statistische Bundesamt im Jahresdurchschnitt 2022 ein Plus von 1,8 % aus (Vj. 1,3 %). Die Nettokaltmieten entwickelten sich somit im Jahresdurchschnitt unterhalb der allgemeinen Inflationsentwicklung. Bei den Angebotsmieten war die Entwicklung dynamischer. Der Verband deutscher fandbriefbanken e V. (vdp) weist in seinem Immobilienpreisindex zum 4. Quartal 2022 bei den Neuvertragsmieten einen Anstieg von 6,5 % bundesweit und für die Top 7-Städte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart) von 6,6 % aus. Erheblich stärker sind deutschlandweit die Baupreise gestiegen. Der Preisindex für den Wohnungsneubau verbuchte bei einem Plus von 16,4 % im Jahresmittel 2022 die höchste gemessene Veränderung gegenüber einem Vorjahr seit Beginn der Erhebung im Jahr 1958 (Vj. 9,1 %). Bei den Baukosten für Instandhaltungen an bestehenden Wohngebäuden fiel die Preissteigerung mit 15,9 % im Berichtsjahr gleichermaßen sehr dynamisch aus (Vj. 8,8 %).
 
Gemäß einer Studie der Unternehmensberatung EY ist der Immobilien-Investmentmarkt im Jahr 2022 um mehr als 40 % auf ein Gesamtinvestitionsvolumen von ca. 67 Mrd. € geschrumpft (Vj. 113,8 Mrd. €). Vor allem der Investmentmarkt für Wohnimmobilien kühlte sich im Jahresverlauf aufgrund zunehmender Unsicherheit der Marktteilnehmer ab. Bei Wohnportfolios wurde mit einem Transaktionsvolumen von 12,8 Mrd. € nur ca. ein Viertel des Umsatzvolumens aus dem Vorjahr erreicht. Gleichzeitig nahm die Dynamik bei den Kaufpreisen ab. Für das Gesamtjahr 2022 ermittelte das Statistische Bundesamt im Durchschnitt einen Anstieg des Häuserpreisindex von 5,3 % im Vergleich zum Jahr 2021 (Vj. +11,5 %). Ausschlaggebend für den Rückgang der Kaufpreisdynamik dürfte eine gesunkene Nachfrage infolge der in der zweiten Jahreshälfte gestiegenen Finanzierungskosten und die anhaltend hohe Inflation sein.
 
Für Vermieter bleiben Savills zufolge die fundamentalen Rahmenbedingen am Wohnungsmarkt vorteilhaft. Die oben aufgeführten Faktoren – deutliches Bevölkerungswachstum und gestiegene Finanzierungszinsen – sorgen dafür, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen angestiegen ist. Zusätzlich zum quantitativen Wachstum der Wohnraumnachfrager infolge steigender Bevölkerung, führt die skizzierte veränderte Situation für den Erwerb von Wohneigentum durch die deutlich gestiegene finanzielle Belastung dazu, dass ein Teil der Nachfrage vom Kaufinteressenten in den Mietwohnungsmarkt umgeleitet wird. Ebenfalls positiv auf das Nachfrageniveau wirken die geringen Baugenehmigungs- und Fertigstellungszahlen. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen
in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden ist im

Jahr 2022 mit insgesamt rund 354.000 genehmigten Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken (-6,9 %). Zum jüngsten Rückgang der Bauvorhaben dürften laut Statistischem Bundesamt vor allem der Materialmangel, hohe Kosten für Baumaterialien, der Fachkräftemangel am Bau und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben. Die Zahl der Baugenehmigungen ist ein wichtiger Frühindikator für die zukünftige Bauaktivität, da sie geplante Bauvorhaben darstellen. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, mittelfristig 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen. Vor dem Hintergrund, dass die politischen Neubauziele derzeit nicht erreichbar scheinen, wird die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren weiterhin fortbestehen. Das Wohnraumangebot kann den in den vergangenen Jahren entstandenen Nachfrageüberhang nach Wohnraum kaum befriedigen und das Neubaudefizit decken.

In regionaler Betrachtung zeigen die Wohnungsmärkte weiterhin sehr unterschiedliche Entwicklungstrends. Während in den wachsenden Städten und Regionen der Leerstand aufgrund der starken Nachfrage unter die notwendige Fluktuationsreserve gesunken ist, führen Bevölkerungsverluste in ländlichen, peripheren und/oder strukturschwachen Gegenden zu Wohnungsleerständen sowie einer Ausdünnung von Versorgungseinrichtungen.
Bonn, Didinkirica
Wohnbau-Gruppe

Wohnbau-Gruppe

Ungeachtet des zuvor skizzierten herausfordernden Umfelds blicken die Wohnbau-Gesellschaften auf eine positive Geschäftsentwicklung zurück. Die gesamten Mieteinnahmen verzeichnen einen Anstieg von über 5,1 Mio. € gegenüber Vorjahr bei gleichzeitig geringeren Erlösschmälerungen (à Kapitel 2. Umsatz).
 
Die Wohnbau ist ein klassischer Bestandhalter mit langfristigem Horizont und einer ausgeprägten Fokussierung auf Wohnimmobilien. Unsere strategische Zielsetzung ist es, das eigene Immobilienportfolio langfristig zu bewirtschaften und den Bestand an von uns präferierten Standorten gezielt durch Bestandsankäufe zu ergänzen sowie durch wohnraumschaffende Neubau- und Nachverdichtungsbaumaßnahmen zu verjüngen. In Einklang hierzu ergänzten wir im Berichtsjahr unseren Bestand in dynamischen Ballungsregionen um 412 Wohnungen. Im Geschäftsjahr 2022 erstvermietet wurden 145 Wohneinheiten in München, Berlin und Kiel. Weitere 46 Wohneinheiten stammen aus einem Bestandsankauf in Bonn. Zudem wurde zum Jahresende unser Neubauprojekt in Düsseldorf-Lörick mit insgesamt 221 Wohnungen fertiggestellt. Die Erstvermietung von 131 frei-finanzierten und 90 mietpreisgebundenen Wohneinheiten startet zum 13. Januar 2023.
Berlin Gleisdreieck
Alle bei der Immobilienbewirtschaftung wesentlichen Funktionen erbringen wir mit eigenen Mitarbeitern; unsere Tochtergesellschaft Wohnbau Service Bonn GmbH stellt die Hausmeisterdienstleistungen für den eigenen Bestand sicher. Zum Ende des Berichtsjahres erstreckt sich der Portfoliobestand auf insgesamt 20.227 eigene Wohn- und 251 Gewerbeeinheiten an 34 Standorten in Deutschland – hierunter überwiegend prosperierende Großstädte und bedeutende Hochschulstandorte.
 
Entsprechend fußt unser Kern-Geschäftsmodell nach wie vor auf solidem Fundament und das Vermietungsgeschäft erwies sich im Berichtjahr abermals als äußerst stabil mit ungebrochen hoher Nachfrage nach unseren Wohnraumangeboten. Die Zahl an Mietinteressenten- Anfragen ist im Jahr 2022 gegenüber Vorjahr nochmals deutlich gestiegen auf rund 229.000 Anfragen (Vj. 185.000). Hier zeigen sich die Vorteile unserer Fokussierung auf ausgesuchte, nachhaltige Regionen im Bundesgebiet. Zudem liegen unsere Wohnanlagen überwiegend in attraktiven innerstädtischen Lagen mit einer guten Infrastruktur und breitem Dienstleistungsangebot.
 
Zum 31. Dezember 2022 weisen wir unter Berücksichtigung der Mietveränderungen aus den quantitativen Portfolioveränderungen und der gebotenen Mieterhöhungsmöglichkeiten eine um 2,1 % höhere Durchschnittsmiete von 9,66 €/m² im Wohnungsbestand aus (Vj. 9,46 €/m²). Diesen jahresbezogenen Mietanstieg werten wir in Relation zum Anstieg der o.g. bundesweiten Nettokaltmieten gemäß Statistischem Bundesamt von 1,8 % als positiv. 
 
Traditionell besitzt der qualitative Erhalt und die Weiterentwicklung des Kern-Bestandes einen hohen Stellenwert in der Unternehmensstrategie. Daher erachten wir regelmäßige Instandsetzungen und Modernisierungen – sowohl an den Gebäuden als auch in den Wohnungen – als nachhaltige Chance, konstant hohe Wohnattraktivität anbieten zu können. Entsprechend standen auch im Geschäftsjahr 2022 technische Bau- und Erhaltungsarbeiten sowie Modernisierungsmaßnahmen im Fokus unserer Geschäftstätigkeit (à Kapitel 3. Investitionen).
 
Im Berichtsjahr haben wir mit dem Ankauf eines Bauprojekts in Düsseldorf-Benrath einen erneuten Forward-Deals beurkundet. Dies werten wir vor dem Hintergrund insgesamt verhaltener Genehmigungszahlen für Bauvorhaben in Großstädten sowie hoher aufgerufener Kaufpreise als besonders positiv. Die Gesamtwohnfläche des erworbenen Projektteils innerhalb eines größeren projektierten Wohnquartiers beträgt ca. 5.200 m² und umfasst die Errichtung von ca. 74 öffentlich-geförderten Wohnungen nach den Förderwegen A und B. Durch diese öffentliche Förderung kann die Gesellschaft preisgebundene Wohnungen in beliebten Lagen erwerben und so langfristig Wertepotentiale schaffen. Diese Potentiale können nach Ablauf der 25-jährigen Preisbindung ausgeschöpft werden und so für ein stabiles Wachstum sorgen.
 
Im abgelaufenen Jahr haben insbesondere die Folgen der Corona-Pandemie sowie der Ukrainekrieg die globalen Lieferketten negativ beeinflusst und die Energiepreise massiv ansteigen lassen. Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Einkaufspreise für Gas, Öl und Fernwärme, die deutlich über den Vorjahrespreisen lagen. Aufgrund der anhaltenden Notwendigkeit, Gas und Energie einzusparen, hat die Bundesregierung mehrere Gesetze beschlossen, um einer Gasmangellage vorzubeugen und Maßnahmen zur Energiekostendämpfung umzusetzen. Entsprechend stellten wir sicher, dass unsere Mieter zu ihren Energieverbräuchen sowie -kosten informiert und auf mögliche Energieeinsparpotenziale hingewiesen wurden. Neben dieser Informationspflicht trat die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen

(EnSimiMaV) in Kraft. Diese verpflichtet uns als Gebäudeeigentümer zur Umsetzung sogenannter Effizienzmaßnahmen und zur Optimierung von Gasheizungen. Entsprechende Maßnahmen, wie die Durchführung der hydraulischen Abgleiche in unseren gasbeheizten Gebäuden, wurden vorbereitet. Ferner wurden von staatlicher Seite Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der Bürger ergriffen. Die Regelungen aus dem Erdgas-Wärme- Soforthilfegesetz (EWSG) für die sogenannten „Dezember-Soforthilfen“ wurden umgesetzt. Zusätzliche Entlastungen beschloss der Gesetzgeber Ende 2022 mit den Gesetzen zur Erdgas-Wärme-Preisbremse bzw. Strompreisbremse, die ab März 2023 gelten.

Im Bereich Verwaltung zeigten sich wiederholt die Vorteile des hohen Digitalisierungsgrads bei Arbeitsprozessen, den wir zusammen mit unserer Tochtergesellschaft Wohnbau Service Bonn GmbH kontinuierlich weiterentwickeln. Zur effektiven Sicherstellung der Betriebsabläufe – auch ortsunabhängig aus dem mobilen Office der Mitarbeiter – wurden Projekte zum Zugriff sowie zur Arbeitsweise bei der Remote-Arbeit fortgeführt. Hierzu zählen Optimierungen bei Cloud-basierten Diensten und ein weiterer Ausbau dieser Speicherlösungen. Der Sharepoint ist nun auch als neue prozessoptimierte Arbeitswelt für die Integration unserer Immobilienteams eingeführt. Im Berichtsjahr setzten wir unser Digitalisierungsbestreben bei internen Verwaltungsprozessen und bei der Rechnungsabwicklung fort. Ferner wurde die IT-Sicherheit wesentlich erhöht durch IT-Risikoanalysen sowie weitere sicherheitsrelevante Maßnahmenplanungen und Umsetzungen in Zusammenarbeit mit einem externen IT-Sicherheitsbeauftragten.

Im Berichtsjahr fanden auch die offiziellen Feierlichkeiten anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Wohnbau statt, welches die Gesellschaft am 20. Dezember 2021 feiern konnte. Ein Festakt mit allen Gremienmitgliedern, allen gruppenweit beschäftigten Mitarbeitern und geladenen Gästen auf dem Petersberg (Mai 2022) sowie eine Abendveranstaltung mit musikalischem Rahmenprogramm für die Geschäftspartner (August 2022) bildeten den Rahmen für das Jubiläum.